Bedingungsanalyse
Die geplante Unterrichtsstunde wurde in einer 9. Klasse einer bayerischen Mittelschule im Landkreis Dachau durchgeführt. Die Schule befindet sich in einem sozial schwächeren Stadtteil und hat als ehemalige Volksschule eine lange Tradition. Sie wird von deutlich mehr Schülerinnen mit Migrationsgeschichte besucht als die anderen Schulen im Landkreis. Deswegen gibt es u.a. zwei besondere Deutschklassen, aus denen die SuS nach ein bis zwei Schuljahren in die Regelklasse wechseln.
Die 9. Klasse für den Unterrichtsversuch besuchen 23 Schülerinnen. Das Klassenklima ist positiv und es herrscht ein starkes Gemeinschaftsgefühl vor, weil sich die SuS und die Klassenlehrerin schon seit drei Jahren kennen. Die Jugendlichen werden in wenigen Monaten ihre Abschlussprüfungen (Qualifizierender Abschluss der Mittelschule) antreten. Nach Aussage der Klassenlehrerin fällt deshalb momentan die Lernmotivation, weil die SuS die Prüfungen als herausfordernd ansehen und teilweise Angst davor haben. Im Unterrichtsversuch ist ihr zufolge trotzdem eine gute Mitarbeit zu erwarten. Eine Schülerin mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) ist erst seit vier Wochen in der Klasse und verfügt über eine geringe Sprachkompetenz, weshalb sie nicht vor der Klasse präsentieren möchte. Mit einigen Schülerinnen, die sie schon besser kennt, macht sie aber gerne Partnerarbeiten. Fünf weitere SuS besuchen schon seit Längerem den DaZ-Unterricht und bringen ein ausreichendes Textverständnis für das Arbeitsblatt auf mittlerem Niveau (M3b) mit. Einer von ihnen ging sogar vorübergehend nur in den normalen Deutschunterricht, weil er außer beim Verfassen von Texten kaum noch Kompetenzlücken in Deutsch zeigt. Es wurde davon abgeraten, bestimmte Schüler derselben Gruppe zuzuweisen, weil sie in starker Konkurrenz stehen und sich oft vergleichen. Eine weitere Schülerin reagiert manchmal impulsiv, wenn sie sich angegriffen fühlt, und sollte deshalb besser mit ruhigen SuS zusammenarbeiten. Die meisten Schülerinnen verhalten sich aber eher angepasst und beteiligen sich am Unterricht.
In der Klasse gibt es keine SuS mit deutlichen Verhaltensauffälligkeiten, LRS oder einer Schulbegleitung. Das Sozialverhalten ist meist harmonisch. Nachdem die Klassenlehrerin in der Klasse ihre Lehrproben abgehalten hat, sind die Schülerinnen mit zahlreichen Methoden wie der Positionslinie, die ich eingeplant habe, schon vertraut. Der Leistungsstand in der Lerngruppe ist in Bezug auf die Noten sehr heterogen, einige werden ihren Schulabschluss vermutlich nicht schaffen. Viele der SuS haben eine familiäre Migrationsgeschichte aus dem Nicht-EU-Ausland, die aber für die Unterrichtsstunde nicht direkt relevant ist. Zu Thema EU, das dieses Schuljahr noch nicht besprochen wurde, sind bei den SuS kaum Präkonzepte vorhanden. Das Interesse an Politik ist nicht besonders stark ausgeprägt.
Sachanalyse
Der vorliegende Unterrichtsentwurf widmet sich der problemorientierten Frage, welchen Einfluss einzelne Mitgliedsstaaten auf die Gesetzgebung in der EU nehmen können. Dazu ist ein kurzer Blick auf das Verfahren der legislativen Entscheidung nötig. Im „EU-Zweikammersystem“ (Rittberger, 2021, S. 61) müssen sowohl der Ministerrat (Rat der EU), in dem sich die nationalen Fachminister treffen, als auch das EU-Parlament den Vorschlägen der Kommission zustimmen. Sie können auch Änderungswünsche einbringen (vgl. ebd., S. 61-62). Wie Niedobitek (2020) erklärt, „[besteht d]as ordentliche Gesetzgebungsverfahren […] aus einer Abfolge von maximal drei Lesungen des Kommissionsvorschlags im Europäischen Parlament und im Rat. Ein Erlass des vorgeschlagenen Rechtsakts ist bereits in der ersten Lesung möglich, sofern der Rat den Standpunkt des Parlaments billigt (Art. 294 Abs. 4 AEUV). Nicht vorgesehen ist allerdings, dass ein Gesetzgebungsverfahren bereits in der ersten Lesung scheitert“ (S. 611). Im Unterrichtsentwurf soll dabei der Ministerrat im Fokus stehen. Das Parlament wird weniger thematisiert, weil sich die Mitglieder dort nach Fraktionen und gliedern und es somit für die Untersuchung der Handlungsmöglichkeiten der Staaten eine geringere Rolle spielt. Seit dem Vertrag von Lissabon werden Entscheidungen im Ministerrat mit einer „qualifizierte[n] Mehrheit [… von] 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der Unionsbevölkerung umfassen“ (Schild, 2020, S. 202), getroffen. Diese zwei Anforderungen sollen einen Ausgleich zwischen den Zielen von Mitgliedsstaaten unterschiedlicher Größe schaffen (vgl. ebd.). Deutschland profitiert wegen seiner großen Bevölkerung hierbei vor allem vom Kriterium der Einwohnerzahl.
Beispiel für den Unterrichtsentwurf ist die Debatte um die EU-Lieferkettenrichtlinie, an der sich der Einfluss der Mitgliedsstaaten gut beurteilen lässt. Der Gesetzgebungsprozess begann im Februar 2022 mit dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie zu stärkeren unternehmerischen Sorgfaltspflichten. Das Gremium argumentiert, unternehmerisches Handeln habe großen Einfluss auf das Erreichen von Klimaneutralität und die Einhaltung des Green Deal sowie der Sustainable Development Goals. Unternehmen stünden deshalb in der Pflicht, durch sie entstandene Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden zu minimieren und eine Strategie für ein zukünftiges positives Verhalten zu entwickeln. Die EU trage zudem Verantwortung für weltweite Arbeitnehmerrechte in Lieferketten. Im Hinblick auf bestehende nationale Gesetze und Vorgaben seien die Sorgfaltspflichten im Binnenmarkt klar rechtlich zu regeln, da freiwillige Verpflichtungen sich als wenig effektiv erwiesen hätten. Solche Pflichten würden auch den Unternehmen Vorteile am Markt bringen, derer sie sich meist nicht bewusst seien (vgl. Europäische Kommission, 2022, S.1-3). In Deutschland gilt seit 2023 das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG). Ähnliche Gesetze gibt es seit einigen Jahren in Frankreich und den Niederlanden (vgl. Würz & Birker, 2022, S. 17). Eine europäische Regelung hätte jedoch stärkere Auswirkungen, weil u.a. auch kleinere Unternehmen eingeschlossen wären, sich die Sorgfaltspflichten auf den ganzen Produktionsprozess erstrecken würden und Unternehmen für ihre Missachtung verklagt werden könnten (vgl. ebd., S. 21). Der Gesetzgebungsprozess auf europäischer Ebene erwies sich als langwierig. Parallel fanden Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament statt. Unter dem Eindruck von immer mehr internationalen Problemen, die in den letzten Jahrzehnten auf europäischer Ebene gelöst werden mussten, sind solche „informelle[n] Formen der Politikkoordinierung in engen Zirkeln, bestehend aus Vertretern großer Mitgliedstaaten und Spitzenvertretern europäischer Organe“ für eine effiziente Entscheidungsfindung immer wichtiger geworden (Schild, 2020, S. 211), auch wenn sie nicht den in den Verträgen festgelegten, offiziellen Wegen der Absprache folgen. Dies zeigt, dass eine Betrachtung des Einflusses der Mitgliedsstaaten aus einer polity-Perspektive nicht ausreicht, auch die politics-Dimension muss immer berücksichtigt werden. Die Beratungen wurden im Dezember 2023 abgeschlossen (vgl. ARD-aktuell / tagesschau.de, 2023). Die für Anfang Februar 2024 geplante Abstimmung im Rat wurde kurzfristig verschoben, nachdem Deutschland wegen Uneinigkeiten in der Koalition angekündigt hatte, sich dort zu enthalten. Insbesondere die FDP kritisierte die zusätzliche Belastung der Unternehmen durch die geplante Regelung. Ob andere Mitgliedsländer folgen werden und das Gesetzesvorhaben schließlich nicht zustande kommt, bleibt ungewiss (vgl. Spiegel Online, 2024). Ein Scheitern auf dieser Stufe des Prozesses ist jedoch eher ungewöhnlich. Niedobitek (2020) stellt allgemein fest, dass „[sich i]n der Praxis […] eine zunehmende Tendenz [zeigt], Gesetzgebungsverfahren – nicht zuletzt aufgrund frühzeitiger Verhandlungen zwischen den Organen – bereits in einem frühen Stadium abzuschließen“ (S. 611).
Die Ursachen der deutschen Meinungsänderung lassen sich am sinnvollsten mit der Theorie des Neuen Liberalismus begründen, obwohl es in den internationalen Beziehungen immer mehrere plausible Erklärungen geben kann, die sich teilweise gegenseitig widersprechen. Die Theorie besagt, dass die Interessen von Staaten auf der internationalen Ebene vor allem dadurch bestimmt werden, welche Gruppen das nationale politische System am effektivsten für die Durchsetzung der eigenen Ziele nutzen können. Je ähnlicher die „Präferenzstrukturen“ zwischen Staaten sind, desto besser ist auch ihre Zusammenarbeit (Auth, 2015, S. 157). Deutschland habe nach dieser Argumentation also starke Wirtschaftsverbände, die ihre Ziele z.B. durch den bürokratischen Aufwand der Lieferkettenrichtlinie gefährdet sehen und die etwa über Lobbyarbeit großen politischen Einfluss ausüben. Damit das Vorhaben verhindert werden kann, muss es solche Interessengruppen auch in anderen europäischen Staaten (z.B. Italien) geben, mit denen dann der deutsche Minister im Rat der EU Bündnisse schließen kann. Im Unterricht kann der Konflikt zwischen europäischen Staaten also zum Teil auf innerstaatliche Auseinandersetzungen wie in Deutschland zurückgeführt werden, die auch in den Medien sehr präsent sind. Dies schafft ggf. einen anschaulicheren Zugang, wenn die Schüler*innen sich bisher kaum mit Debatten auf europäischer Ebene beschäftigt haben, und macht somit das komplexe Mehrebenensystem verständlicher.
Nach Weißeno et al. (2010) werden in diesem Unterrichtsentwurf vor allem die Basiskonzepte Ordnung und Entscheidung angesprochen. Unter Ordnung verstehen die Autoren den „Rahmen […], innerhalb dessen politische Handlungs- und Entscheidungsprozesse verlaufen können“ (S. 53) und der sie damit teilweise vorhersagbar macht. Als Fachkonzepte zum Thema eignen sich „Europäische Integration“ und „Repräsentation“. Als Merkmale des Basiskonzepts Entscheidung werden die kollektive Geltung und die Ausrichtung am Maßstab des „Gemeinwohl[s]“ (ebd., S. 99) genannt. Hier wurden die Fachkonzepte „Europäische Akteure“ und „Legitimation“ ausgewählt. Das Basiskonzept Entscheidung ist für den Unterrichtsentwurf wichtiger und wird deshalb auch im kompetenzorientierten Lernziel aufgegriffen, während das Basiskonzept Ordnung zum Teil auch das Hintergrundwissen beschreibt, das bereits vor der Stunde erworben sein sollte.
Didaktische Begründung der Thematik
Im Folgenden soll der Beitrag der Unterrichtseinheit für den Kompetenzerwerb der Schülerinnen und ihre Entwicklung zu mündigen Bürgerinnen unter Beachtung fachdidaktischer Prinzipien des Politikunterrichts erläutert werden. Politische Mündigkeit beschreibt als eines der wichtigsten Schlagworte der politischen Bildung das Ziel, „dass Menschen selbst in der Lage sind oder gefördert werden, sich selbst, die Gesellschaft und die Welt zu verstehen … und] dementsprechend selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, um verantwortungsbewusst zu handeln“ (Neuß, 2022, S. 136).
Maria Eyrich-Stur (2009) stellt in ihrer deskriptiven, allerdings nicht repräsentativen Studie über die politische Urteilskompetenz von Hauptschülern sic] fest, dass „knapp die Hälfte der untersuchten Hauptschüler mindestens dazu fähig ist, ihre persönliche Position zu einer politischen Problemfrage ansatzweise kategorial zu begründen und ihr Urteil so zu formulieren, dass es im Wesentlichen für andere logisch nachvollziehbar ist“ (S. 391). Dies macht sie an vordefinierten kognitiven Niveaus und Notenstufen fest. In Bezug auf die geringere Bedeutung der politischen Bildung an dieser Schulart, die sich z.B. in ihrer Integration ins Kombinationsfach GPG zeigt, fordert die Autorin, nach Wegen zu suchen, um „dieses vorhandene Potenzial an politischer Urteilskompetenz bei Hauptschülern didaktisch noch effizienter zur Entfaltung zu bringen“ (ebd., S. 391). Der vorliegende Unterrichtsentwurf möchte hierzu einen Beitrag leisten.
Ihm liegen die didaktischen Prinzipien Exemplarität und Konfliktorientierung zugrunde. Das Prinzip der Exemplarität verdeutlicht Sander (2013) mit der Forderung, „Lerngegenstände sollten so ausgewählt werden und strukturiert werden, dass an konkreten politischen Einzelbeispielen verallgemeinerbare Erkenntnisse über Politik gewonnen werden können“ (S. 193). Zur Konfliktorientierung erklärt Sander (2013): „Lerngegenstände sollten so ausgewählt und strukturiert werden, dass die kontroverse Struktur des Politischen erkennbar wird“ (S. 196). Damit ist auch das Unterrichtsprinzip der Kontroversität angesprochen, das in Bezug auf den Beutelsbacher Konsens aber in allen Unterrichtsstunden berücksichtigt werden sollte und deswegen hier nicht eigens aufgeführt wird.
Der Beitrag der Unterrichtsprinzipien aus der Stunde zur politischen Mündigkeit besteht darin, dass die Schülerinnen in die Lage versetzt werden sollen, verschiedene Interessen und institutionelle Einflussmöglichkeiten der Akteure an einem Konfliktbeispiel herauszuarbeiten und sich dazu ein Urteil zu bilden. Sie analysieren, mit welchen Begründungen sich ein Mitgliedsstaat wie in den Vorgang der europäischen Gesetzgebung einbringen kann. Die Konfliktorientierung fördert das Verständnis für verschiedene Positionen und Strategien und ermöglicht es den SuS so, sich (zunehmend eigenständig) einen Überblick über einen politischen Prozess zu verschaffen. Dadurch wird die Basis für ein reflektiertes Urteil, das sich von einer bloßen Meinung abgrenzt, geschaffen. Die Exemplarität macht deutlich, dass es hier nicht um das „Auswendiglernen“ eines institutionellen Ablaufs geht, sondern um die grundlegende Frage, wie europäische Staaten und Gremien zusammen an einem Politikprojekt arbeiten. Sie lässt sich auf viele andere Beispiele aus der Europapolitik übertragen, die den SuS vielleicht noch undurchschaubar erscheinen.
Die exemplarische Bedeutung des Inhalts für die Lernenden liegt in der Frage, ob und wie die EU, die sich als Wertegemeinschaft versteht, für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards auch außerhalb ihrer Grenzen in wirtschaftlich verbundenen Ländern eintritt oder ob ökonomische Interessen sich dem gegenüber durchsetzen. Die Gegenwartsbedeutung spüren sie als Konsumentinnen etwa an der Verfügbarkeit und am Preis von Produkten im Supermarkt, aber auch in ihren Praktikums- und ggf. Ausbildungsbetrieben, die sich schon durch das deutsche Lieferkettengesetz und die öffentliche Debatte zunehmend mit ihren Beschaffungs- und Produktionsprozessen auseinandersetzen mussten. Auch in den berufsorientierenden Fächern wie „Ernährung und Soziales“ oder „Technik“ spielt der nachhaltige Einkauf von Materialien eine große Rolle. In der Zukunftsbedeutung stellen eine grundlegende Orientierung im politischen System der EU und die Fähigkeit zur Konfliktanalyse auch die Voraussetzung für politische Partizipation auf europäischer Ebene dar. Oberle und Stamer (2020) begründen die Notwendigkeit, im Unterricht europäische Prozesse zu thematisieren, mit der anhaltenden Integrationsdynamik, die „requires civic education on the EU in order to facilitate (young) people’s understanding of these processes, their ability to judge, and their capacity to participate politically on the European level“ (S. 2).
Das Thema und der Bezug zum LehrplanPLUS
Im Unterrichtsentwurf zeigen sich deutliche Zusammenhänge mit den übergeordneten Bildungszielen „Alltagskompetenz“ und „Lebensökonomie“ aus dem LehrplanPLUS. In seiner Definition der Alltagskompetenzen erklärt das ISB, dass sie „Einstellungen und Handlungsstrategien [fördern], die zur konstruktiven Lösung alltäglicher Herausforderungen wie auch zur Bewältigung von Problemen und Existenzfragen beitragen. [Sie] unterstützen die Heranwachsenden in ihrer Entwicklung zu Menschen, die sich selbst vertrauen und Eigenverantwortung für ihr Leben übernehmen“ (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB), 2016a). Im Handlungsfeld „Selbstbestimmtes Verbraucherverhalten“ sind als grundlegende Kompetenzen festgehalten, dass die Jugendlichen „zu einem reflektierten, verantwortungsvollen, nachhaltigen, wertorientierten und selbstbestimmten Konsumhandeln in der Lage [sind und …] für die sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Folgen ihres Konsums Verantwortungsbewusstsein [entwickeln]“ (ebd.). Im Handlungsfeld „Umweltverhalten“ stellen das „Bewusstsein für einen verantwortlichen und nachhaltigen Umgang mit ökologischen, ökonomischen und sozialen Ressourcen“ und das „altersgemäß[ e Handeln] im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung“ (ebd.) ebenfalls grundlegende Kompetenzen dar.
Die geplante Stunde lässt sich dem Lernbereich 1 („Zeit und Wandel“) aus dem Fach GPG für die 9. Jahrgangsstufe (R-Zug) zuordnen. Dort ist als Kompetenzerwartung formuliert, dass die Lernenden „in Grundzügen die Entwicklung der Europäischen Union von ihrer Gründung bis zur Gegenwart aus unterschiedlichen Perspektiven dar[stellen] und […] aktuelle Fragestellungen [erörtern]“ (ebd.). In der Stunde liegt der Fokus dabei auf der gegenwärtigen, weniger auf der historischen Perspektive. Die SuS führen diese kompetenzanbahnende Aktivität aus, indem sie sich zunächst einen Überblick über Akteure und Interessen in der Debatte um die Lieferkettenrichtlinie verschaffen und ihr politisches Urteil dann anhand der Hintergrundinformationen reflektieren. Als inhaltliche Schwerpunkte zu diesem Lernbereich sind im Lehrplan- PLUS unter anderem „politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit [… sowie] aktuelle Entwicklungen“ (ebd.) festgelegt. In der Auseinandersetzung mit der problemorientierten Stundenfrage werden sowohl die Kooperation der Mitgliedsstaaten durch ihre nationalen Fachminister im Rat der EU als auch die Entwicklung des letzten Jahre hin zu „intergouvernementalen Formen des Regierens und […] Teilgruppenbildungen im Rahmen differenzierter Integration“ (Schild, 2020), also informellen Wegen der Verhandlung, angesprochen.
In Bezug auf das Fachprofil GPG hat die Stunde die „[h]andlungsorientierte und direkte Begegnung[…] mit […] gesellschaftlichen und politischen Institutionen“ (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB), 2016b) zum Ziel. Die Lernenden sollen „[a]nknüpfend an ihre unmittelbare Umgebung […] die internationalen Verflechtungen und den Prozess der Globalisierung [erklären]“ (ebd.). Für das Ziel der politischen Urteilsbildung ist besonders zu beachten, dass „[o]ffene Aufgabenstellungen […] die individuellen Lernbedürfnisse des Einzelnen [berücksichtigen] und […] verschiedene Lösungsansätze zu[lassen]“ (ebd.). In der Stunde zeigt sich besonders die prozessbezogene Kompetenz „Beurteilen und Bewerten“, die wie folgt definiert wird: „[Die SuS] beurteilen und bewerten Sachverhalte, die sie aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Darüber hinaus gelingt es ihnen, einen Wertebezug bei fachspezifischen Problemen herzustellen. Sie entwickeln Einstellungen und Haltungen und begründen diese“ (ebd.). Auch das „Erkenntnisse gewinnen“, also das „[B]eobachten und [I]nterpretieren unterschiedliche[r] Sachverhalte“ (ebd.), spielt eine wichtige Rolle.
Einordnung der Unterrichtseinheit in die Lernsequenz
Der Unterrichtsentwurf wurde in einer 9. Klasse meiner Praktikumsschule als einzelnstehende Unterrichtsstunde (45 Minuten) durchgeführt. Dies lag daran, dass ich normalerweise in einer anderen Jahrgangsstufe im Praktikum war und es für den Zeitpunkt der Durchführung wegen der Abschlussvorbereitung und der eigenen Praktika der Schülerinnen wenig Wahlmöglichkeit gab. Außerdem war ich während des Semesters immer nur dienstags in der Schule, sodass der Unterrichtsversuch in den Semesterferien durchgeführt wurde. Eine Einordnung in die Sequenz zum Lernbereich 1 aus dem LehrplanPLUS („Lebensraum Erde“), in der auch die Europäische Union thematisiert wird, war deshalb kaum möglich. In der Realität würde die Unterrichtsstunde ans Ende der Sequenz gesetzt werden, in der nach der „Entwicklung der Europäischen Union von ihrer Gründung bis zur Gegenwart“ (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB), 2016a) auch „aktuelle Entwicklungen“ (ebd.) wie die Debatte um die Lieferkettenrichtlinie zur Sprache kommen sollen. Hier wäre mit einem deutlich größeren Vorwissen der Schülerinnen in Bezug auf die EU-Institutionen zu rechnen, das nun allerdings bei den meisten fehlte. Dies stellte eine Herausforderung dar, weil für die Bewertung des Einflusses der Mitgliedsstaaten ein grundlegendes Verständnis des Gesetzgebungsprozesses im Zusammenspiel von Kommission, Rat der EU und Parlament nötig ist. Die Unterrichtsstunde sollte aber nicht nur institutionenkundliches Wissen vermitteln, sondern den Fokus auf die politics- Dimension, also den „Entscheidungsprozess“ (Ackermann et al., 2018, S. 47) und hier insbesondere die „Interessenvermittlung“ (ebd.) zwischen den Mitgliedsstaaten, legen. Dennoch wurden in der Stunde auch die polity-Grundlagen besprochen, indem die bisherige Entwicklung der Lieferkettenrichtlinie analysiert wurde.
Kompetenzorientierte Lernziele der Stunde
Für den vorliegenden Unterrichtsentwurf wurde das Politikkompetenzmodell von Detjen et al. (2012, S. 15) gewählt, weil seine Deskriptoren und Definitionen genauer auf das Fach Politik bezogen sind als z.B. im LehrplanPLUS-Modell. Dies erleichtert die Festlegung kompetenzorientierter Lernziele und die Überprüfung, ob sie erreicht wurden. Der Fokus soll hier auf den Kompetenzdimensionen Fachwissen und politischer Urteilsfähigkeit liegen. Das Fachwissen mit den Basis- und Fachkonzepten wurde in der Sachanalyse bereits angesprochen. Detjen et al. (2012) merken dazu an, „Ziel des Unterrichts [… sei] nicht die Vermittlung von Faktenwissen oder eines bestimmten Weltbildes, sondern die Förderung und Strukturierung konzeptuellen Wissens der Lernenden“ (S. 30). In Bezug auf die politische Urteilsfähigkeit wird am Ende der Stunde ein Werturteil, also ein „Ergebnis evaluativer Handlungen“ (ebd., S. 56) angestrebt. Die 10 Schülerinnen und Schüler sollen bewerten, ob der Einfluss einzelner Mitgliedsstaaten auf die europäische Gesetzgebung zu groß ist, und dabei „Wertmaßstäbe[…], die dem Urteilenden vorgegeben werden [… ,] aus der Sphäre der Politik“ (ebd., S. 56) anwenden. Dazu wurden mit Bezug auf Ackermann et al. (2018) die Wertmaßstäbe „Effizienz“ und „Legitimität“ ausgewählt. Sie erklären: „Der Urteilsmaßstab politischgesellschaftliche Rationalität verknüpft untrennbar die beiden Kategorien Effizienz und Legitimität. Sie akzentuieren zwar unterschiedliche Aspekte der Beurteilung, müssen aber beide bei der politischen Urteilsbildung berücksichtigt werden“ (S. 71).
Somit ergeben sich für den Unterrichtsentwurf die folgenden beiden kompetenzorientierten Lernziele:
- Die SuS fällen ein Werturteil, ob der Einfluss der Mitgliedsstaaten auf die europäische Gesetzgebung zu groß ist [= mittlere Konkretionsebene], indem sie sich auf einer Positionslinie verorten und ihr Urteil dann anhand des Hintergrundwissens aus der Konfliktanalyse reflektieren und schriftlich formulieren [= Ebene der konkret beobachtbaren Performanz]. So erweitern sie ihre politische Urteilsfähigkeit [= abstrakte Zielebene].
- Die SuS analysieren den Konflikt der Mitgliedsstaaten (im Ministerrat), des EU-Parlaments und der EU-Kommission um die Lieferkettenrichtlinie [= mittlere Konkretionsebene], indem sie „anhand von Texten […] das notwenige Wissen um Institutionen und Positionen erw[e]rben“ (Gessner & Klingler, 2020, S. 60), dazu Stellung nehmen und mithilfe einer digitalen Simulation des Ministerrats ein „Entscheidungsspiel“ (ebd.) durchführen [= Ebene der konkret beobachtbaren Performanz]. So erweitern sie ihr Fachwissen zu den Fachkonzepten „Europäische Akteure“ und „Legitimation“ im Basiskonzept „Entscheidung“ [= abstrakte Zielebene].
Methodisch-didaktische Überlegungen
Für den Unterrichtsentwurf wurde die Methode der Konfliktanalyse ausgewählt. Gessner und Klingler (2020) erklären, dass „mit der Methode ‚Konfliktanalyse‘ und dem Verfahren des ‚Entscheidungsspiels‘ der Themenbereich ‚Internationale Politik‘ didaktisch perspektiviert werden kann“ (S. 60). Alternativ wäre auch eine Fallanalyse möglich gewesen, in der es aber eher auf die Übernahme der Perspektive einzelner betroffener Personen oder Gruppen ankommt. Deshalb eignet sie sich weniger, um einen institutionellen Konflikt zu thematisieren. In der Sachanalyse wurde bereits erläutert, dass die Debatte um die Lieferkettenrichtlinie im Wesentlichen eine Auseinandersetzung zwischen (durch Interessengruppen beeinflussten) Mitgliedsstaaten im Ministerrat sowie dem Parlament und der Kommission als europäische Akteure darstellt.
Zum Einstieg betrachten die Lernenden als stummen Impuls den Kurzfilm „Heimspiel für Menschenrechte“ (Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), 2024) und äußern Vermutungen zum Inhalt. Der Film weckt das Interesse der Schülerinnen, weil er einen Lebensweltbezug zur EM 2024 herstellt und sie mit dem deutschen Lieferkettengesetz verknüpft. Hier ist vermutlich von einem eher geringen Vorwissen auszugehen. Deshalb wird die allgemeinere Frage gestellt, wo im Video Politik zu sehen ist. Durch die Fußball- Analogie kann sich z.B. über „Fairness“ und „Kooperation“ dem abstrakten Begriff „Lieferkettengesetz“ bzw. „Lieferkettenrichtlinie“ angenähert werden, der möglicherweise nicht sofort in den Antworten der SuS vorkommt. Dann wird visuell von Deutschland nach Europa „herausgezoomt“ und Schlagzeilen zur deutschen Blockade der Lieferkettenrichtlinie werden eingeblendet. Die Schülerinnen äußern Vermutungen, wie diese mehrheitlich negativen Berichte mit dem enthusiastischen deutschen Werbevideo zum Lieferkettengesetz zusammenpassen könnten. So nähern sie sich dem europäischen Mehrebenensystem an, das im Fokus der Stunde stehen soll. Zum Abschluss des Einstiegs wird die problemorientierte Stundenfrage von der Lehrkraft schriftlich in der PowerPoint festgehalten: „Wieviel Einfluss haben einzelne Mitgliedsstaaten in der EU?“ Die Lernenden stimmen zu dieser Frage in Form einer Positionslinie ab, um sich selbst im Diskurs zu verorten und ein erstes Urteil zu bilden.
Zur Analyse des Konflikts setzen sich die SuS selbstständig mit verschiedenen Standpunkten in der Debatte auseinander, die als Statements der Akteure auf dem Arbeitsblatt zu finden sind. Dazu lesen sie den Text und fassen die Argumente in Stichpunkten zusammen, was eine Arbeitstechnik darstellt. Der Hinweis, dass die Aufgabe schriftlich zu bearbeiten ist, wird durch ein Stiftsymbol gegeben. Bei den Sozialformen wurde hier, wie in der Bedingungsanalyse begründet, auf eine Gruppenarbeit verzichtet und stattdessen die Methode Think-Pair-Share ausgewählt. Die SuS bearbeiten das dreifach differenzierte Arbeitsblatt M3 zunächst allein und können sich, wenn sie fertig sind, jemand anderen mit demselben Symbol suchen, um die Antworten zu vergleichen. Die Formulierung der Aufgaben ist den bei Eiperle (2019) festgelegten Beurteilungskriterien orientiert (siehe Tab. 1). Die Aufgabenstellung (siehe M3a) lautet „1. Lies die Sprechblasen und fasse die Argumente der Personen in Stichpunkten in deinem Heft zusammen!“ bzw. „… und ergänze die Sätze“ / „… und kreuze an“ zur Entlastung in den differenzierten Versionen. Zur Urteilsbildung wird allen dieselbe Aufgabe gestellt: „2. Bewerte nach Effizienz und Legitimität, ob du es sinnvoll findest, dass ein Mitgliedsstaat wie Deutschland eine EU-Entscheidung kurz vor der letzten Abstimmung noch aufhalten kann.“ Die Lösungen werden anschließend für alle im Plenum besprochen. Dabei werden auch die ausformulierten Urteile einzelner SuS zur Diskussion gestellt.
Anschließend halten die SuS den europäischen Gesetzgebungsprozess auf dem Arbeitsblatt M4 in Grundzügen fest, indem sie mithilfe ihres Hintergrundwissens aus den Statements die Lücken im Schaubild ergänzen. Sie nehmen aus der Sicht Deutschlands Stellung zu den Möglichkeiten, im Prozess die eigenen Interessen durchzusetzen. Die Aufgabenstellungen lauten „1. Ergänze die fehlenden EU-Institutionen im Gesetzgebungsprozess.“ und „2. Ein Land ist unzufrieden mit dem Gesetzentwurf der EU-Kommission. Zeichne auf dem Blatt Sprechblasen ein, die erklären, wo es seine Interessen einbringen kann. Erinnere dich dafür an unsere Beobachtungen zur Lieferketten-Richtlinie!“ Dies findet im Unterrichtsgespräch statt, um eine gemeinsame Diskussion zu erleichtern.
Als Entscheidungsspiel führen die SuS die ersten fünf Minuten der Simulation „EUcraft“ (Generaldirektion Kommunikation der EU, 2022) individuell an iPads durch. Dort wird eine Kompromissfindung im Ministerrat nachgebildet. Das Medium bietet den Vorteil, dass der Schwierigkeitsgrad selbst gewählt werden kann. Die individuelle Durchführung erhöht die Autonomie bei der Entscheidung, weil die Lernenden nicht durch ihre Gruppe beeinflusst werden und wirklich selbst nachdenken müssen. Außerdem erhalten sie so genug Zeit, um sich die Aussagen am iPad durchzulesen. Die SuS erhalten vor dem Spiel Beobachtungsaufträge, die am Smartboard stehen bleiben und anschließend besprochen werden. Abschießend wird die Positionslinie wiederholt, um ggf. zu zeigen, wie sich die Qualität der Schüler*innenurteile verbessert hat.
In der Reflexionsphase reflektieren die SuS mithilfe vorgegebener Satzanfänge über ihren Lernerfolg und die Zusammenarbeit in der Stunde. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht nur von den Defiziten (z.B. „ich habe noch nicht ganz verstanden …”), sondern auch von den positiven Momenten (z.B. „Heute lief gut, dass …“ / „Mich hat heute überrascht, dass …“) ausgegangen wird.
Tab. 1: Erläuterung der Aufgabenstellungen nach Eiperle (2019)
Aufgabe | M3 1. | M3 2. | M4 1. | M4 2. |
---|---|---|---|---|
Wissensart | Prozeduren | domänenspezifisches Konzept | Fakten | domänenspezifisches Konzept |
Kognitiver Prozess | Reproduktion | naher Transfer | Reproduktion | weiter Transfer |
Offenheit | definiert / konvergent | definiert / divergent | definiert / konvergent | definiert / divergent |
Lebensweltbezug | keiner | keiner | keiner | keiner |
Sprachlogische Komplexität der Aufgabe | differenziert | hoch | mittel | mittel |
Sprachlogische Komplexität des Materials | differenziert | differenziert | mittel | mittel |
Operator | AFB 1 | AFB 3 | AFB 1 | AFB 2 |
Arbeitstechnik | M3a: in Stichpunkten zusammenfassen, sonst ohne | ohne | ohne | ohne |
Bezug zwischen Aufgabe und Material | explizit benannt | implizit benannt | implizit benannt | explizit benannt |
Repräsentationsformen | eine (Text) | eine (Text) | zwei (Text, Grafik) | zwei (Text, Grafik) |
Sozialformen | Think-Pair-Share (explizit) | Think-Pair-Share (explizit) | Unterrichtsgespräch (implizit) | Unterrichtsgespräch (implizit) |
Basiskonzept / Fachkonzept | Entscheidung / europäische Akteure | Entscheidung / Legitimation | Entscheidung / europäische Akteure | Ordnung / Repräsentation |
Urteilsart | ohne | Werturteil | ohne | ohne |
Verlaufsplan / Artikulation
Schritte der Konfliktanalyse nach Gessner und Klingler (2020), S. 60–61
Zeit | Inhalt und L-SuS-Interationen | Medien / Materialien | Sozialform |
---|---|---|---|
2 Min. | Ankommen und ausrichten üblicherweise Klassenritual hier: Erklärung des Stundenziels (Unterrichtsversuch für ein Seminar), Besprechen von Fragen der SuS im Vorfeld | – | UG |
10 Min. | Einstieg und Konfrontation mit dem internationalen Konflikt Impuls: Kurzfilm „Heimspiel für Menschenrechte“ (Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), 2024) SuS erklären die Botschaft des Films in eigenen Worten: „Wo ist in diesem Video Politik zu sehen?“ (Lebensweltbezug EM 2024) Folie: Zoom heraus – von Deutschland nach Europa Schlagzeilen einblenden „EU-Lieferkettenrichtlinie findet keine Mehrheit“ „Lieferkettengesetz: Deutschland blockiert die EU – schon wieder“ „Wie die FDP einmal Europa knackte“ Frage: „Wie passt das zusammen?“ SuS formulieren Stundenfrage mithilfe von Satzbausteinen: z.B. „Wie viel Einfluss haben einzelne Mitgliedsstaaten in der EU?“ Abstimmung in Form einer Positionslinie: „Die Mitgliedsstaaten haben in der EU noch genug zu sagen.“ -> wird am Ende der Stunde wiederholt | PPP (M1) mit Kurzfilm (M2) 5 farbige Blätter (stimme voll zu, stimme eher zu, …) + Schnur für Positionslinie | UG |
10 Min. | Analyse des Konflikts Think-Pair-Share SuS informieren über Debatte zur Lieferkettenrichtlinie (ABs dreifach nach Sprachniveau differenziert) Besprechung der Lösungen und einzelner Urteile der SuS im Plenum | ABs (M3a, M3b, M3c) Dokumentenkamera | EA, PA, UG |
10 Min. | Stellungnahme aus Sicht eines Mitgliedstaats + Hintergrundwissen Schaubild zum Gesetzgebungsprozess ergänzen Stellungnahme aus Sicht eines Mitgliedsstaats in Sprechblasen ergänzen (Wo kann ich eingfreifen?) | AB (M4) Dokumentenkamera | UG |
10 Min. | Entscheidungsspiel mit Reflexion SuS spielen an iPads die ersten 5 Minuten des Simulationsspiels „EUcraft“ (Generaldirektion Kommunikation der EU, 2022) Besprechung der Beobachtungen im Plenum: – Wie stark kann man selbst als einzelnes Land seine Position durchsetzen? – Wie oft muss man Kompromisse eingehen? – Was fällt dir in der Verhandlung zwischen großen und kleinen Ländern auf? Abstimmung „Die Mitgliedsstaaten haben in der EU noch genug zu sagen.“ in Form einer Positionslinie wiederholen Einzelne SuS erklären lassen, warum sich ihr Urteil (nicht) verändert hat | iPads mit App „EUcraft“ PPP (M1) 5 farbige Blätter (stimme voll zu, stimme eher zu, …) + Schnur für Positionslinie | EA, UG |
3 Min. | Reflexionsphase Satzanfänge in Sprechblasen als Hilfe vorgegeben: „Mich hat heute überrascht, dass …“ „Heute lief gut / schlecht, dass …“ „Ich habe heute noch nicht ganz verstanden …“ „Ich möchte noch wissen …“ | PPP (M1) mit Sprechblasen | UG |
5 Min. | Ausblick | L. „Heute haben uns mit dem Euro, unserer Währung beschäftigt. Mit dem Euro kann man in verschiedenen Ländern bezahlen. Überleitung zu AB: Münzen richtig zuordnen Hausaufgabe wird aufgegeben: AB Münzen richtig verbinden | – |
Reflexion
Im Folgenden soll der tatsächliche Stundenverlauf kritisch mit der Unterrichtsplanung verglichen werden. Der Einstieg funktionierte gut, weil das Fußballvideo die SuS motivierte und viele Assoziationen zur Politik hervorrief. Die Schlagzeilen initiierten manche SuS zunächst, aber dann äußerten sie doch einige Vermutungen zum Zusammenhang mit der EU-Ebene. In der Durchführung musste ich vor allem bei den Urteilen der SuS zur deutschen Blockade der Entscheidung von meinem Schema abweichen, weil die Begriffe „Effizienz” und „Legitimität” nicht allen klar waren und einige aufgerufene SuS auch erwiderten, dass sie zu der Frage „keine Ahnung” hätten. Es wäre sinnvoller gewesen, die Lernenden erst einige Urteile frei formulieren zu lassen und sie dann nach den Kategorien zu analysieren, um ihre Qualität zu bewerten. Für den ThinkPair- Share-Teil hätte ich im Vorhinein mehr Zeit einplanen sollen, weil sich die Arbeitsgeschwindigkeiten der SuS deutlich unterscheiden. Anders als ich befürchtet hatte, war die Lautstärke beim Austausch mit den Partner*innen angemessen. Auch Unterrichtsstörungen gab es kaum, weil die Klassenlehrerin mit anwesend war. Dass meine Kompetenzerwartung eines Werturteils zumindest bei einigen SuS erreicht wurde, konnte ich am besten an der zweiten Positionslinie feststellen, bei der viele, die sich zunächst nur „nach Bauchgefühl” zugeordnet hatten, sinnvolle Argumente für ihre Entscheidung vorbrachten. Ob das Basiskonzept „Entscheidung” und die Fachkonzepte „Europäische Akteure” und „Legitimation” bei den SuS verankert sind, lässt sich am besten an frei formulierten Antworten überprüfen, in denen bestimmte konstituierende Begriffe vorkommen müssen. Dies könnte man zu Beginn der nächsten Stunde überprüfen. Das Spiel „EUcraft” wurde von den SuS interessiert angenommen, allerdings war die Übertragung der Erkenntnisse zum Einfluss der Mitgliedsstaaten auf ein anderes Thema manchmal schwierig. In der Reflexion wünschten sich manche, die Simulation noch länger durchführen zu können.
Literatur
- Ackermann, P., Breit, G., Cremer, W., Massing, P., & Weinbrenner, P. (2018). Politikdidaktik kurzgefasst: 13 Planungsfragen für den Politikunterricht (5.). Wochenschau Verlag.
- ARD-aktuell / tagesschau.de. (14.12.2023). EU einigt sich auf Lieferkettengesetz. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/eu-lieferkettengesetz-menschenrechte-100.html
- Auth, G. (2015). Theorien der internationalen Beziehungen kompakt: Die wichtigsten Theorien auf einen Blick (2., aktualisierte und erweiterte Auflage). De Gruyter Oldenbourg.
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (2024). Kurzfilm: Heimspiel für Menschenrechte. https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/Gesetz-Unternehmerische-Sorgfaltspflichten-Lieferketten/gesetz-unternehmerische-sorgfaltspflichten-lieferketten.html
- Detjen, J., Massing, P., Richter, D., & Weißeno, G. (2012). Politikkompetenz – ein Modell. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00785-0
- Eiperle, J. (2019). Inklusionsdidaktische Lehrbausteine, Politik und Gesellschaft—Schatzkiste, Lösungsvorschlag zur Übung 4: Aufgaben. https://www.idl.lehrerbildung-at-lmu.mzl.uni-muenchen.de/fachdidaktiken/politik_gesellschaft/schatzkiste/pg_lsg_ue4_aufgaben.pdf
- Europäische Kommission. (2022). Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937. https://data.europa.eu/doi/10.2838/39830
- Eyrich-Stur, M. (2009). Wie urteilen Hauptschüler über Politik? Eine deskriptive Studie über die politische Urteilskompetenz von Hauptschülern unter besonderer Berücksichtigung geschlechtstypischer Zusammenhänge. Kovač.
- Generaldirektion Kommunikation der EU. (2022). EUcraft – ein digitales Simulationsspiel – Europäische Union. https://learning-corner.learning.europa.eu/learning-materials/eucraft-digital-simulationgame_de
- Gessner, S., & Klingler, P. (2020). Politische Bildung: Fachunterricht planen und gestalten. Wochenschau Verlag.
- Neuß, N. (2022). Vorschulische Einrichtungen. In W. Sander & K. Pohl (Hrsg.), Handbuch politische Bildung (5., vollständig überarbeitete Auflage, S. 135–142). Wochenschau Verlag. https://doi.org/10.46499/1694
- Niedobitek, M. (2020). Rechtsakte und Rechtsetzungsverfahren. Die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Union. In P. Becker & B. Lippert (Hrsg.), Handbuch Europäische Union (S. 597–617). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17409-5
- Oberle, M., & Stamer, M.-M. (2020). Reaching the Hard-To-Reach with Civic Education on the European Union: Insights from a German Model Project. Social Sciences, 9(10), 173. https://doi.org/10.3390/socsci9100173
- Rittberger, B. (2021). Die Europäische Union: Politik, Institutionen, Krisen (Originalausgabe). C.H. Beck. Sander, W. (2013). Politik entdecken – Freiheit leben. Didaktische Grundlagen politischer Bildung. Wochenschau Verlag.
- Schild, J. (2020). Von „großen“ und „kleinen“ Mitgliedstaaten in der Europäischen Union. In P. Becker & B. Lippert (Hrsg.), Handbuch Europäische Union (S. 195–216). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17409-5
- Spiegel Online. (09.02.2024). FDP-Blockade. EU-Abstimmung über Lieferkettengesetz verschoben. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/eu-abstimmung-ueber-lieferkettengesetz-verschoben-a-12ddf60b-5a56-4903-9990-881d4ccf2e26
- Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB). (2016a). LehrplanPLUS – Mittelschule – 9 – Geschichte/Politik/Geographie—Fachlehrpläne. https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachlehrplan/mittelschule/9/gpg/regelklasse
- Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB). (2016b). LehrplanPLUS – Mittelschule – Fachprofile –Geschichte/Politik/Geographie. https://www.lehrplanplus.bayern.de/fachprofil/mittelschule/gpg
- Weißeno, G., Detjen, J., Juchler, I., Massing, P., & Richter, D. (2010). Konzepte der Politik – Ein Kompetenzmodell. Bundeszentrale für Politische Bildung.
- Würz, K., & Birker, A.-K. (2022). Das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz: Regelungen, Anforderungen, Umsetzungen in der Praxis. Haufe Lexware. https://ebookcentral.proquest.com/lib/ub-lmu/reader.action?docID=7007689&ppg=15
Material
- M1 PowerPoint-Präsentation zur Stunde als PDF eingefügt (anstelle eines Tafelbilds)
- M2 Kurzfilm „Heimspiel für Menschenrechte“ (hier nicht eingefügt, Link im Literaturverzeichnis)
- M3a Arbeitsblatt „Konflikt: Lieferketten-Richtlinie“ – hohes Sprachniveau
- M3b Arbeitsblatt „Konflikt: Lieferketten-Richtlinie“ – mittleres Sprachniveau
- M3c Arbeitsblatt „Konflikt: Lieferketten-Richtlinie“ – niedriges Sprachniveau
- M4 Arbeitsblatt „Der Weg zum EU-Gesetz“
- M5 Anonymisierter Sitzplan der Klasse 9a mit Kennzeichnung der Differenzierung